Moralische Grundprinzipien

Berlin, März 2014

   Zu unterschiedlichen Moralen oder Moralkonzeptionen wurde bereits viel nachgedacht, gesagt und geschrieben. In diesem Theoriendschungel herrscht viel Unklarheit und Uneinigkeit. Dieser Text möchte nun kein weiteres Gewächs in diesen Urwald pflanzen, sondern vielmehr diejenigen Bäume ausfindig machen, auf die wir uns alle vernünftigerweise einigen können und mit Hilfe derer sich alle weiteren moralischen Gesetze, Regeln, Rechte und Pflichten bestimmen lassen.

   Ziel dieses Aufsatzes soll sein, fünf moralische Grundprinzipien zu begründen bzw., sofern dies nicht möglich ist, doch wenigstens aufzuzeigen, dass ihre Existenz durchaus berechtigt ist und wir faktisch auch bereits alle danach handeln. Diese fünf Prinzipien sind: Das Prinzip der Rechtfertigung, das Prinzip der Gleichheit, das Prinzip des unnötigen Leides, das Prinzip der Hilfe und das Prinzip Notwehr. Aus diesen Prinzipien lassen sich unterschiedliche moralische Gesetze, Regeln, Rechte und Pflichten ableiten. Das heißt, dass diese Prinzipien als universell verstanden werden und insofern die Grundlage einer universellen Moral bilden. Hätte jeder Mensch, jede Gruppe oder jede Kultur einen anderen Moralbegriff, müssten wir also unterscheiden zwischen »moralisch richtig für uns« und »moralisch richtig für andere«, könnten wir beispielsweise Sklavenhändlern nicht vorwerfen, moralisch nicht richtig zu handeln, wenn sie es nach ihrem Moralbegriff gar nicht wären.[1] Sie verstünden unsere Rede gar nicht als einen Vorwurf, weil wir nur eine relativistische Floskel von uns gäben, dass Sklavenhandel bei uns eben moralisch nicht richtig sei, bei ihnen aber schon.[2] Doch tatsächlich verstehen sie unseren Vorwurf – und durchaus auch als einen moralischen Vorwurf – und wehren sich meistens dagegen, indem sie zu rechtfertigen versuchen, dass Sklavenhandel – nicht relativ gesehen – moralisch richtig sei.[3] Das heißt noch nicht, dass es eine kulturübergreifende Moralkonzeption gibt, sondern dass es eine allgemein geteilte Bedeutung des Begriffs der Moral geben muss, um unsere alltäglichen Debatten mit anderen über Moralkonzeptionen überhaupt verständlich machen zu können, sofern wir davon ausgehen, dass sie verständlich zu machen sind.[4] Da man nun Gründe für die genannten fünf Prinzipien angeben kann – was im Folgenden die Aufgabe sein wird –, die man vernünftigerweise allgemein akzeptieren muss und die wir auch faktisch akzeptieren, lässt sich eine Moral, die darauf aufbaut, als universell verstehen. Allerdings heißt das nicht notwendig, dass es universelle moralische Gesetze (Regeln, Rechte und Pflichten) gibt, sondern nur, dass die moralischen Prinzipien universelle Gültigkeit haben. In unterschiedlichen Kulturen können aufgrund von unterschiedlichen Bedingungen die moralischen Prinzipien zu unterschiedlichen moralischen Gesetzen führen. Was für einen einzelnen Menschen, eine Gruppe oder eine Kultur A moralisch geboten ist, muss für einen einzelnen Menschen, eine Gruppe oder eine Kultur B moralisch keineswegs geboten sein, sofern beide für die moralische Beurteilung relevante Unterschiede aufweisen. Das Folgende wird darüber mehr Aufschluss geben.

I
DAS PRINZIP DER RECHTFERTIGUNG

   Moral hat mit Handlungen zu tun. Es macht keinen Sinn zu sagen, es war vom Vesuv moralisch nicht richtig, im Jahre 79 auszubrechen und tausende Menschen zu töten. Wir betrachten dieses Ereignis (und andere vergleichbare) zu Recht als ein Übel, doch lässt es sich moralisch nicht beurteilen, denn Vulkane handeln nicht. Moralisch beurteilen können wir nur Handlungen. Jedoch hat Moral nicht mit beliebigen Handlungen zu tun. Die Rede von »moralisch richtig« und »moralisch nicht richtig« findet nur dort sinnvollerweise Anwendung, wo wir es mit freiwilligem und verantwortbarem Handeln zu tun haben. Moralische Prädikate wie »moralisch richtig« und »moralisch nicht richtig« lassen sich nur sinnvoll verwenden, wenn sie auf richtigen Verantwortungszuschreibungen basieren, wobei wiederum die Zuschreibung von Verantwortung semantisch Freiheit voraussetzt.[5] Und Freiheit impliziert ihrerseits die Möglichkeit, unter Alternativen mit Gründen wählen und daher auch für die Wahl Rechenschaft ablegen zu können.[6] So sind Menschen nur moralisch verantwortlich für Handlungen (hier sei anzumerken, dass »nicht handeln« ebenfalls eine Handlung ist), bei denen sie eine Wahl haben oder ihnen die Möglichkeit gegeben ist, in einer Situation korrigierend einzugreifen.[7] Sie sind also nicht moralisch verantwortlich für den Vulkanausbruch oder andere Naturkatastrophen, Unglücke oder Schicksalsschläge. Moralisch verantwortlich werden sie erst dann, wenn Naturkatastrophen etc. oder deren Folgen hätten verhindert werden können. Wenn die Menschen für einen erhöhten CO2– und Methan-Ausstoß verantwortlich sind und dieser zu einem globalen Klimawandel führt, der vermehrte Naturkatastrophen mit sich bringt, dann sind wir Menschen mindestens sekundär dafür verantwortlich, wenn aufgrund von Naturkatastrophen Menschen ums Leben kommen. Aber wir können auch für unverantwortete Naturkatastrophen etc. moralisch zur Verantwortung gezogen werden, wenn es nämlich um die Folgen geht und diese gemindert oder verhindert hätten werden können.[8] Wenn ein Tsunami-Frühwarnsystem Alarm schlägt, aber die entsprechende Behörde diesen Alarm ignoriert oder nicht ernst genug nimmt, so dass die von der Flutwelle bedrohte Region zu spät evakuiert wird, dann trägt diese Behörde die Verantwortung für den Tod vieler Menschen, die hätten gerettet werden können, wenn man entsprechend rechtzeitig reagiert und evakuiert hätte.

   Veränderbare Zustände sind also relevant für moralische Urteile, so dass wir von jemandem, der die Freiheit hatte, unter alternativen Handlungsmöglichkeiten mit Gründen wählen zu können, Rechenschaft einfordern können. Dies ist die Grundlage für unseren Verantwortungsbegriff und den damit zusammenhängenden Begriffen der Schuld und Unschuld. Wenn eine Behörde zu spät mit entsprechenden Maßnahmen auf das Tsunami-Frühwarnsystem reagierte, dann fordern wir eine Rechtfertigung, warum erst so spät reagiert wurde – wir verlangen Gründe, die das Handeln verständlich machen und/oder es entschuldigen. Gibt es keine vernünftigen Gründe, die das Handeln der Behörde entschuldigt – gib es also keine vernünftigen Gründe, die die Behörde von der Verantwortung für den Tod vieler Menschen befreit –, so war ihr Handeln moralisch nicht richtig und es ist moralisch zu verurteilen. Man könnte daher sagen, dass jeder ein „Recht auf Rechtfertigung“[9] hat, wenn es um moralische Gründe geht, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen. Damit wäre das erste Prinzip, das Prinzip der Rechtfertigung, eingeführt, das ich wie folgt formulieren möchte: Jeder, der die Freiheit hat, unter alternativen Handlungsmöglichkeiten mit Gründen wählen zu können, muss für seine Wahl entsprechend Rechenschaft ablegen.

II
DAS PRINZIP DER GLEICHHEIT

   Man kann sein Handeln auf unterschiedlichste Weise begründen. Aber nicht jeder genannte Grund hat eine moralische Relevanz. Wenn der Verantwortliche in der Behörde als Grund anführt, er habe erst so spät auf das Tsunami-Frühwarnsystem reagiert, weil er erst noch ein Posting bei Facebook zu Ende schreiben wollte, dann ist das zwar ein Grund für seine späte Reaktion auf das Frühwarnsystem, jedoch kein moralisch relevanter Grund, der ihn von der Verantwortung für den Tod vieler Menschen entbindet. Der genannte Grund wäre ein Grund im Sinne einer Erklärung, nicht aber im Sinne einer Rechtfertigung.[10] Wir fragen nicht nach persönlichen Gründen, die einfach Erklärungen für ein Handeln sind, sondern wir fragen nach allgemeinen Gründen, die das Handeln für jeden in einer ähnlichen Situation rechtfertigen würden.

   Wenn wir für unser Handeln argumentieren, es rechtfertigen, dann geschieht dies immer auf der Grundlage von allgemeinen Prinzipien.[11] Eine vernünftige Rechtfertigung ist daher ihrer Definition her etwas, das sich verallgemeinern lässt.[12] Was man für sich selbst in Anspruch nimmt, kann also auch jeder beliebige andere für sich in Anspruch nehmen, ausgenommen man kann ganz bestimmte Gründe angeben, die man vernünftigerweise akzeptieren muss und die aufzeigen, warum die Rechtfertigung in dem einen Fall anwendbar ist und in einem anderen Fall nicht – und diese Gründe müssen wiederum selbst allgemeine sein.[13] Seine Rechtfertigung darauf zu beschränken, dass man behauptet, man sei eben der, der man ist und deshalb eine Ausnahme bilde, reicht nicht aus, denn dies könnte wiederum jeder für sich beanspruchen, was dazu führen würde, dass jeder eine Ausnahme bilde, und das ist ein Widerspruch in sich.[14]

   Ob ein Grund eine Handlung moralisch rechtfertigt oder nicht, hängt von den Umständen ab und zwar von jenen, die mit Bezug auf den Akteur von Bedeutung sind – von dessen Fähigkeiten, seinen Anlagen etc.[15] So ist es normalerweise für einen Feuerwehrmann durchaus richtig, sich in ein brennendes Haus zu begeben, um die sich noch darin befindenden Menschen zu retten, wohingegen es für die meisten von uns oder gar einen ganz offensichtlich Inkompetenten keineswegs richtig ist, sich selbst einer solchen Gefahr auszusetzen. Wer einem Rollstuhlfahrer vorwirft, er hätte doch das Kind, das sich im ersten Stockwerk des brennenden Hauses befand, retten müssen, versteht offensichtlich nicht, welche Umstände relevant sind für ein moralisches Urteil.[16] So sagt etwa Samuel Alexander:

   „The good act, approved as pleasing the collective wills and not merely the individual and the place holds in the society. Still, so far as it is allowed, it is approved for any one in those circumstances and of the commonalty belongs to it not as favour to this individual but to any such person under such conditions.”[17]

   Für eine vernünftige Rechtfertigung ist also Gleichheit konstitutiv. Was in einem Fall ein Grund ist, ist zugleich ein Grund in allen (hinreichend) gleichen Fällen – oder es ist gar kein Grund.[18] Dabei bestimmen die jeweiligen Umstände, welche Bedingungen gleich sein müssen, um für das moralische Urteilen relevant zu sein. Ein relevanter oder wichtiger Grund ist daher ein Grund, „which can be stated as a reasonable ground for difference of treatment“[19]. Es findet hier das Prinzip der Gleichheit seine Anwendung und ich möchte es folgendermaßen formulieren: Was für den einen richtig (oder nicht richtig) ist, muss auch für jeden anderen richtig (oder nicht richtig) sein, der in relevanter Weise gleiche Eigenschaften hat und sich in einer in relevanter Weise gleichen Situation befindet.[20]

   Betrachten wir ein Beispiel, das Stefan Gosepath in Gleiche Gerechtigkeit anführt und bei dem ein Sklave von seinem Herrn eine Rechtfertigung für deren Standesunterschied einfordert.

   „Ein Herr kann einem Sklaven gegenüber sehr wohl Gründe liefern. Bei ungleichen Machtverhältnissen mag ein Sklave de facto auch Grund haben, sie zu akzeptieren – es könnte für ihn günstiger sein. Aber er kann fragen, warum der Herr eine höhere Stelle beanspruchen darf. Damit fragt er nach positionsunabhängigen Gründen[[21]] für die Institution der Sklaverei. Der Herr hat hier drei Möglichkeiten. Er kann und wird wahrscheinlich die Frage als Unverschämtheit zurückweisen. Warum solle er, der Herr, ihm, dem Sklaven, eine positionsunabhängige Rechtfertigung geben? Die könne der Sklave nicht verlangen, er, der Herr, schulde sie ihm nicht, weil er eben kein Gleicher sei, denn nur denen schulde man eine Rechtfertigung.“[22]

   Nun müsste aber der Herr einen Grund dafür anführen, warum er und sein Sklave keine Gleichen sind. Er müsste zeigen, dass es eine Klasse von Menschen gibt, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit dieser Klasse bestimmte Eigenschaften haben, die es erlauben, sie zu versklaven, das heißt, ihnen ihre Freiheit und Selbstbestimmung abzusprechen.[23] Doch dann müsste diese Klasse von Menschen genau durch diese Eigenschaften definiert sein und es würde nicht genügen, sie durch willkürliche Kennzeichnungen wie »Dunkelhäutiger«, »Eingeborener« oder »Wilder« festzulegen.[24] Der Herr müsste zeigen, dass jemand, weil er Dunkelhäutiger ist oder bestimmte Eigenschaften hat, die man normalerweise Dunkelhäutigen zuschreibt, keinen Anspruch auf Freiheit und Selbstbestimmung hat und daher versklavt werden darf.[25] Dies lässt sich aber nicht vernünftig begründen. Wir haben heute gute Gründe, die dafür sprechen, dass in Bezug auf Freiheit und Selbstbestimmung (und andere Menschenrechte) alle Menschen gleich sind. Insofern wäre der Herr dem Sklaven durchaus eine Rechtfertigung schuldig. Der Sklave kann also die erste Möglichkeit des Herrn

   „[…] als falsch zurückweisen. Moral verlangt allgemeine willkürfreie Rechtfertigung. Hierauf kann der Herr entweder mit Verweis auf die bloße Macht reagieren, das aber ist reiner Zwang, kein Grund. Der Sklave würde es nicht freiwillig akzeptieren, sondern nur gezwungenermaßen.“[26]

   Reiner Zwang ist ein Zwang, der selbst keinen Grund im Sinne des Prinzips der Gleichheit anführt. Die Macht des Herrn, seinen Sklaven unterdrücken zu können, ist kein moralischer Grund für diese Leidzufügung. Hier findet das Prinzip des unnötigen Leides seine Geltung, auf das wir später noch eingehen werden. Allerdings heißt das nicht, dass sich gar keine Leidzufügung rechtfertigen lässt.

   Zuletzt bliebe dem Herrn noch die Möglichkeit,

   „[…] religiöse oder traditionalistische Auffassungen über den unterschiedlichen Wert von Menschen je nach Abstammung, Geschlecht oder ähnlichem [zu] nennen. Für den Übergang zur modernen Moral ist nun charakteristisch, dass wir diese und ähnliche Gründe nicht mehr akzeptieren. Wir bezweifeln, dass sich eine apriorische Wertunterscheidung zwischen (Kategorien von) Personen unparteiisch begründen lässt. Alle Auffassungen, die glauben, solche primären Wertunterscheidungen begründen zu können, sind an Voraussetzungen gebunden, die man vernünftigerweise bestreiten kann. Im postmetaphysischen Zeitalter ist die Art der zulässigen Gründe eine andere.“[27]

   Die hier geforderte unparteiische Begründung ist genau das, was auch das Prinzip der Gleichheit fordert. Wenn religiöse oder traditionalistische Auffassungen Wertunterscheidungen zwischen Personen oder Personengruppen machen, dann muss die Rechtfertigung für diese Unterscheidung allgemeine relevante Gründe aufzeigen, um moralische Geltung zu haben. Bei der Haltung von Sklaven darauf zu verweisen, dass es seit jeher Tradition ist, Dunkelhäutige ihrer Freiheit und Selbstbestimmung zu berauben, genügt nicht, um die Sklavenhaltung zu rechtfertigen, denn die Farbe der Haut (oder die Herkunft, das Geschlecht, der Grad der Intelligenz etc.) spielt keine relevante Rolle bei der Entscheidung, ob jemand frei und selbstbestimmt leben darf oder nicht.[28] Es gibt keinen allgemeinen Grund, den wir vernünftiger Weise annehmen könnten, der im Bezug auf Freiheit und Selbstbestimmung Unterschiede aufmacht, um der einen Gruppe Freiheit und Selbstbestimmung zu gewähren, einer anderen Gruppe aber nicht. Die relevante gleiche Eigenschaft in Bezug auf Freiheit und Selbstbestimmung ist das Menschsein.

   Aber was soll das genau heißen, Menschsein? Ist das die signifikante Eigenschaft, die allen Menschen gleichermaßen zukommt? Ist es nicht trivial zu sagen, dass alle Menschen sich darin gleichen, dass sie Menschen sind? Als faktische Grundlage für das Prinzip der Gleichheit das Menschsein heranzuführen, muss unbefriedigend bleiben, wenn nicht gezeigt wird, dass mit dem Menschsein mindestens eine weitere Eigenschaft verbunden ist, die den entscheidenden – und damit den tatsächlich relevanten – Ausschlag gibt. Doch was könnte das für eine Eigenschaft sein, in der wir alle gleich sind?

   Peter Singers Vorschlag auf die Frage, worin alle Menschen gleich sind, lautet, dass

„der Anspruch auf Gleichheit nicht auf dem Besitz von Intelligenz, moralischer Persönlichkeit, Rationalität oder ähnlichen Tatsachen beruht. Es gibt keinen logisch zwingenden Grund für die Annahme, daß ein Unterschied in den Fähigkeiten zweier Menschen einen Unterschied in dem Maß der Beachtung rechtfertigt, die wir ihren Interessen schenken.“[29]

   Singer spricht vom Prinzip der gleichen Interessenabwägung, dass wir „Interessen einfach als Interessen abwägen“ müssen und „nicht als meine Interessen oder die Interessen“[30] anderer. Das Wesentliche dieses Prinzips bestehe darin, dass „wir in unseren moralischen Überlegungen den ähnlichen Interessen all derer, die von unseren Handlungen betroffen sind, gleiches Gewicht geben“[31]. Er sagt weiter, dass das Prinzip darauf hinauslaufe, dass Interesse Interesse ist, gleichgültig wessen Interesse es auch sein mag.[32] Das Prinzip verbiete es, die Interessen anderer von ihren Fähigkeiten oder anderer Eigenschaften abhängig zu machen, denn entscheidend sei, dass sie Interessen haben.[33] Die Berücksichtigung von Interessen, welcher Art auch immer sie sein mögen, muss auf jeden Menschen angewendet werden – unabhängig von uneinsichtigen Auffassungen über die menschliche Natur.[34] „Das Prinzip der gleichen Interessenabwägung kann also eine vertretbare Form des Prinzips sein, daß alle Menschen gleich sind […].“[35]

   Das Prinzip der Interessenabwägung lässt den Verdacht zu, als ließe sich ein moralisches Urteil einfach berechnen, als könnte man beispielsweise einen Patienten opfern, um fünf anderen das Leben zu retten, so dass das Interesse der fünf das Interesse des einen überwiegt – und darum wäre diese Handlung richtig.[36] Doch wäre so gesehen das Prinzip falsch verstanden. Es spielt keine Rolle, wie viele ein bestimmtes Interesse haben (es gibt also keine Mehrheitsentscheidung im Sinne von: wenn fünf Menschen den Wunsch haben zu überleben und denen gegenüber nur einer den Wunsch hat zu überleben, dürfen die fünf den einzelnen opfern, da ihr Interesse überwiegt). Vielmehr ist es so, dass entgegenstehenden Interessen nur als Interessen gegenüberstehen. Es gibt den einen, der das Interesse hat, zu leben und nicht geopfert zu werden; und es gibt die anderen fünf, die das gemeinsame (also dasselbe) Interesse haben, zu leben und gerettet zu werden. Es liegt also nicht in der einen Waagschale ein Interesse und in der anderen liegen fünf, sondern in beiden Waagschalen liegt ein Interesse (nur dass das eine Interesse von fünf geteilt wird). Die Waage dürfte daher ausgeglichen sein und sich zu keiner Seite hin neigen, denn beide Parteien haben den Wunsch zu leben. Das Problem ist ein Scheinproblem, jedenfalls ein moralisches Scheinproblem. Denn es entsteht erst, wenn man die Interessenabwägung als Summenspiel betrachtet. Wenn zwei Parteien dasselbe Interesse haben, hat niemand den Vorrang – auch wenn eine der Parteien mehr Mitglieder hat, die von einem Vorrang profitieren würde. Eine solche Situation mag problematisch sein, doch haben wir es dann nicht mit einem moralischen Problem zu tun. Ein moralisches Problem entsteht tatsächlich erst, wenn wir einer der Parteien aufgrund eines angeblich moralischen Summenspiels den Vorrang geben und damit die andere Partei benachteiligen.

   Wenn beispielsweise zwanzig Menschen meinten, sie hätten mehr von ihrer Freiheit, wenn sie fünf andere ihrer Freiheit beraubten und diese für sie arbeiten ließen; da die fünf anderen Menschen aber ebenfalls ein Interesse haben, ihre Freiheit zu genießen und dies besser könnten, wenn die zwanzig unfrei für sie arbeiteten, dann ist offensichtlich, dass die Rechnung, zwanzig Menschen ginge es besser bezüglich ihrer Freiheit, wenn fünf zugunsten der zwanzig unfrei wären, kein moralisch vernünftiger Grund ist, den fünf Menschen ihre Freiheit zu nehmen – und umgekehrt gilt das gleiche. Das Interesse, in Freiheit zu leben und durch Unterdrückung der anderen Gruppe einen Vorteil zu gewinnen, teilen beide Gruppen. Doch beide Gruppen können keine vernünftigen Gründe liefern, der anderen die Freiheit zu nehmen – gleichgültig, wie eine Rechnung ausfällt. Vielmehr sind beide Gruppen angehalten, die Freiheit der anderen Gruppe anzuerkennen. Das mag für beide Gruppen ein Problem darstellen, weil jede für sich einen Vorteil aus der Unterdrückung der anderen herausschlagen möchte, jedoch ist dieses Problem kein moralisches Problem (vielleicht ist es ein Klugheitsproblem oder eines aus egoistischer Sicht). Ein moralisches Problem entsteht erst, wenn eine der Gruppen der anderen die Freiheit raubt, denn die angeführten Gründe haben keine moralische Relevanz. (Dies gilt selbstverständlich nur in Situationen, in denen auch tatsächlich ein moralisches Problem entstehen kann. Viele Interessensprobleme lassen sich durch Klugheit oder persönliche Gründe klären, ohne dass daraus ein moralisches Problem entstünde.)

   Für unser Sklavenbeispiel heißt das nun, dass die Versklavung den Sklaven daran hindert, sein Interesse an Freiheit und Selbstbestimmung so zu befriedigen, wie er es wollen würde, wobei die Interessen, die der Herr an der Sklavenhaltung hat, nicht im entferntesten das Leid aufwiegen, das der Sklave dadurch erleiden muss.[37]

   Das Interesse an Freiheit und Selbstbestimmung (und vielleicht meint man mindestens das, wenn man von Menschsein spricht) ist der hinreichende Grund für unseren Anspruch auf Freiheit uns Selbstbestimmung. Alle Unterschiede, die es zweifelsohne zwischen Menschen gibt, sind für Freiheit und Selbstbestimmung nicht relevant.

   An dem Sklavenbeispiel lässt sich, nebenbei bemerkt, auch leicht zeigen, warum die Position einer relativen Moral nicht haltbar ist. Nehmen wir an, Moral wäre gesellschaftsabhängig und in einer bestimmten Gesellschaft wäre die Sklaverei moralisch richtig. In dieser Gesellschaft hieße »Sklaverei ist richtig« so viel wie »In meiner Gesellschaft wird Sklaverei gebilligt«. Nun würde sich aber ein Gegner der Sklaverei in dieser Gesellschaft faktisch eines Irrtums schuldig machen – und sein Irrtum könnte mit einer Meinungsumfrage bewiesen werden.[38] Der Sklaverei-Gegner (und auch jeder andere Reformer einer jeden Gesellschaft) würde sich notwendig im Irrtum befinden, solange die Mehrheit anderer Meinung wäre.[39] Erst wenn es ihm gelänge, die Mehrheit der Gesellschaft für seine Position zu gewinnen, wäre seine Ansicht richtig – und notwendigerweise befände sich dann die Gegenposition im Irrtum.[40] Es scheint offensichtlich, dass an diesen Schwierigkeiten jeder moralische Relativismus scheitern muss.[41]

III
DAS PRINZIP DES UNNÖTIGEN LEIDES

   Peter Singer schreibt ins seinem Buch Praktische Ethik:

   „Der Weg von der Bibliothek meiner Universität zum Hörsaalgebäude der Geisteswissenschaften führt an einem flachen Zierteich vorbei. Angenommen, ich bemerke auf meinem Weg zur Vorlesung, daß ein kleines Kind hineingefallen ist und Gefahr läuft zu ertrinken. Würde irgendwer bestreiten, daß ich hineinwaten und das Kind herausziehen sollte? Dies würde zwar bedeuten, daß ich mir die Kleidung beschmutze und meine Vorlesung entweder absagen oder verschieben muß, bis ich etwas Trockenes zum Anziehen finde; aber verglichen mit dem vermeidbaren Tod eines Kindes wäre das unbedeutend.“[42]

   Und Singer sagt weiter:

   „Ein plausibles Prinzip zur Stützung des Urteils, daß ich das Kind retten sollte, lautet folgendermaßen: Wenn es in unserer Macht steht, etwas Schreckliches zu verhindern, ohne daß dabei etwas von vergleichbarer moralischer Bedeutung geopfert wird, dann sollten wir es tun.“[43]

   Im Folgenden verteidigt Singer dieses Prinzip und zeigt auf, dass, obwohl es unumstritten zu sein scheint, wir im Alltag keineswegs konsequent danach handeln.[44] Wir wollen nun nicht diskutieren, warum wir nicht konsequent danach handeln, sondern was noch hinter diesem Prinzip steckt, ob es sich begründen oder gar aus den vorhergehenden Prinzipien ableiten lässt.

   Wenden wir zunächst einmal das Prinzip der Rechtfertigung auf Singers Prinzip an. Dann ist damit zunächst nur gesagt: »Wenn wir die Freiheit haben, unter alternativen Handlungsmöglichkeiten jene Möglichkeit mit Gründen zu wählen, die etwas Schreckliches verhindert, müssen wir für unsere Wahl entsprechend Rechenschaft ablegen.« Das heißt wiederum, dass wenn wir die Wahl hatten, etwas Schreckliches zu verhindern, es aber nicht verhindern, weil wir uns für eine andere Handlungsalternative entschieden haben, dann müssen wir gute Gründe angeben können, die unser Handeln rechtfertigen.

   Wenn also jemand sich rechtfertigt, er sei nicht in den See[45] gesprungen, um das Kind zu retten, weil er selbst nicht schwimmen könne, sich also selbst in Lebensgefahr begeben hätte ohne dem Kind dadurch eine tatsächliche Hilfe zu sein, dann wäre das eine gute Rechtfertigung. Denn selbst nicht schwimmen zu können ist ein allgemein guter Grund, einem Ertrinkenden nicht ins Wasser zu folgen. Es kommt hier das Prinzip der Gleichheit zur Geltung.

   Gehen wir aber einmal davon aus, dass die gefragte Person tatsächlich schwimmen kann. Würde sie das Kind dennoch nicht retten mit der Begründung, die Kleidung würde dann nass und beschmutzt werden, so wären wir empört. Wir wären empört über die angeführten Gründe, weil auch hier das Prinzip der Gleichheit und das Prinzip der Rechtfertigung Geltung hat. Die Sorge, die eigene Kleidung zu durchnässen und zu beschmutzen, mag eine Erklärung für die unterlassene Hilfe sein, aber sie rechtfertigen dieses Handeln nicht, da nasse und beschmutzte Kleidung (oder das Ausfallenlassen oder Verschieben einer Vorlesung) keinen relevanten Grund darstellt, ein Kind – oder einen beliebigen anderen Menschen – ertrinken zu lassen. Jemanden ertrinken zu lassen ist ganz offensichtlich etwas Schreckliches und bedarf einer guten Begründung. Die Formulierung »ohne dass dabei etwas von vergleichbarer moralischer Bedeutung geopfert wird« spielt genau darauf an. Die eigene Kleidung hat keine vergleichbare moralische Bedeutung, als dass man sie als Rechtfertigung heranziehen könnte. Das eigene Leben zu riskieren, weil man selbst nicht schwimmen kann, hat allerdings vergleichbare moralische Bedeutung und würde daher als Rechtfertigung gelten (wobei man dann natürlich auf andere Weise helfen müsste; einfach am See vorbeigehen und so tun, als wäre nichts gewesen, ließe sich überhaupt nicht rechtfertigen). Man könnte dies das (a) Prinzip der Hilfe nennen: Jeder, der ein Leid (oder etwas Schreckliches oder Übel) verhindern kann, ohne dabei selbst ein vergleichbares Leid (oder etwas Schreckliches oder Übel) zu erfahren, muss es verhindern.

   Aber dieses Prinzip lässt sich einem anderem Prinzip, das weiter gefasst ist, unterordnen. Denn es ist nicht nur so, dass wir nur drohendes Leid (oder Übel) verhindern müssen, wenn es uns möglich ist, diese zu verhindern, sondern wir sind prinzipiell angehalten, Leid (oder Übel) nicht zuzulassen. Es ist das Prinzip des unnötige Leides, das besagt: Es ist niemals richtig, unnötiges Leid zuzulassen oder zu verursachen.

   Würden wir also das Kind ertrinken lassen, würden wir dieses Leid zulassen. In einem gewissen Sinne könnten wir auch sagen, dass wir dieses Leid verursachen, denn unser Nicht-retten ließe sich als die Ursache dafür verstehen, dass das Kind ertrinkt. Und die Betonung von unnötigem Leid meint, dass wir mindestens zwei Handlungsalternativen zur Wahl hatten – eine, bei der das Kind ertrinkt; eine, bei der wir das Kind retten. Da die erstere Leid zulässt, wir aber keinen vernünftigen Grund nennen können, warum dieses Leid zuzulassen sein sollte, ist dieses Leid ein unnötiges Leid, weshalb wir die zweite Handlungsalternative – nämlich die leidverhindernde – wählen sollten.

   Es gibt nun aber auch Situationen, in denen Leid nicht unnötig ist. Wir haben in solchen Situationen entweder gar keine Wahl zwischen Handlungsalternativen oder wenn wir eine Wahl haben, dann nur zwischen Handlungsalternativen, die alle Leid verursachen. In einer solchen Situation befindet sich beispielsweise der Patient mit einer entzündeten Zahnwurzel beim Zahnarzt. Der betroffene Zahn verursacht starke Schmerzen. Jeder, der schon einmal Zahnschmerzen hatte, wird bestätigen, dass dies durchaus eine leidvolle Situation ist. Medikamentös lässt sich der Zahn nicht behandeln. Die einzige Möglichkeit, den Zahn zu behandeln, liegt in einer ebenfalls schmerzvollen Wurzelbehandlung. Der Patient hat nun die Wahl: entweder er lässt den Zahn überhaupt nicht behandeln, was vermutlich zu immer größeren Schmerzen und eventuellen Folgeerkrankungen (erst Vereiterung, dann Blutvergiftung etc.) führen würde, oder er unterzieht sich einer schmerzvollen Wurzelbehandlung, hat aber anschließend seine Ruhe. Beide Optionen sind mit Leid verbunden, wenn auch die letztere langfristig für weniger Leid sorgen würde. Vernünftiger Weise entscheidet sich daher auch der Patient für die Behandlung. Nun könnte dieser aber den Zahnarzt nicht beschuldigen, gegen das Prinzip des unnötigen Leides zu verstoßen, weil die Wurzelbehandlung leidvoll ist. Denn das Prinzip des unnötigen Leides bezieht sich schließlich auf unnötiges Leid, die Wurzelbehandlung ist aber gerade ein nötiges Leid, um größeres Leid zu verhindern. Dabei spielt es keine Rolle, dass größeres Leid verhindert wird, sondern wesentlich ist, dass es nötig ist – aus welchen Gründen auch immer. Wenn allerdings der Zahnarzt mit brachialer Gewalt und ohne Narkose (vielleicht um selbst Geld zu sparen oder weil er gerne anderen Schmerzen zufügt – eine alptraumhafte Vorstellung eines Zahnarztes) die Wurzelbehandlung unternimmt, dann könnte der Patient durchaus Protest erheben. Denn die Wurzelbehandlung müsste nach dem Prinzip des unnötigen Leides jedes unnötige Leid verhindern, d.h. wenn sich durch eine Narkose die Schmerzen reduzieren ließen, dann muss auch eine Narkose gegeben werden (es sei denn, die Narkose birgt wiederum Gefahren, die abzuwägen sind).

   Das Prinzip des unnötigen Leides ist ebenfalls aus dem Prinzip der Rechtfertigung (wenn ich ein Leid zufüge, muss ich dieses rechtfertigen können, indem ich Gründe angebe, die aufzeigen, dass die Leidzufügung notwendig war) und dem Prinzip der Gleichheit (wenn eine Leidzufügung (un)nötig ist, dann ist sie in allen gleichen Situationen oder unter allen gleichen Umständen (un)nötig) ableitbar. Damit ist das Prinzip des unnötigen Leides eingeführt.

   Ein Spezialfall des Prinzips des unnötigen Leides bildet das (b) Prinzip der Notwehr. Niemand hat einen Grund, unnötiges Leid, das einen selbst betrifft, einfach hinzunehmen. Gerade weil unnötiges Leid ein Leid ist, für das keine vernünftigen Gründe angeführt werden können, kann niemand, dem selbst unnötiges Leid droht, dieses Leid grundlos akzeptieren. Vielmehr gilt auch in diesem Fall das Prinzip des unnötigen Leides. Wenn mir selbst ein unnötiges Leid droht, das Prinzip des unnötigen Leides aber von mir verlangt, jedes unnötige Leid zu verhindern, dann muss ich das mir drohende Leid ebenfalls verhindern. Wenn ich mich nun in einer Situation befinde, in der mir ein unnötiges Leid droht, dieses Leid aber nur von mir abzuwenden ist, indem ich selbst ein Leid verursache, dann ist das von mir zu verursachende Leid kein unnötiges Leid, sondern ein nötiges Leid und daher moralisch richtig. Allerdings gilt dann, wie beim Zahnarztbeispiel, dass das Leid, dass ich verursache, nicht unnötig groß sein darf. Nur das Maß an Leid ist gerechtfertigt, das tatsächlich nötig ist, um das mir drohende unnötige Leid abzuwenden. Anderenfalls würde ich selbst wieder unnötiges Leid verursachen. Wenn ich also einen Taschendieb dabei erwische, wie er mir gerade meine Geldbörse aus dem Jackett zieht und sich davonmachen möchte, dann darf ich ihn selbstverständlich festhalten und ihm meine Geldbörse wieder entreißen. Gegebenenfalls muss ich dabei ein gewisses Maß an Gewalt anwenden, wenn der Dieb das Diebesgut nicht freiwillig wieder herausrücken mag. Ihn aber krankenhausreif schlagen ginge zu weit, da damit das Prinzip des unnötigen Leides verletzt wäre. Das Prinzip der Notwehr lässt sich daher so formulieren: Jeder darf unnötiges Leid von sich abwenden, wenn nötig sogar mit einem anderen Leid.

   Damit haben wir unsere fünf moralischen Grundprinzipien beisammen.

   I) Das Prinzip der Rechtfertigung: Jeder, der die Freiheit hat, unter alternativen Handlungsmöglichkeiten mit Gründen wählen zu können, muss für seine Wahl entsprechend Rechenschaft ablegen.

   II) Das Prinzip der Gleichheit: Was für den einen richtig ist, muss auch für jeden anderen richtig sein, der in relevanter Weise ähnliche Eigenschaften hat und sich in einer in relevanter Weise ähnlichen Situation befindet.

   III) Das Prinzip des unnötigen Leides: Es ist niemals richtig, unnötiges Leid zu verursachen bzw. zuzulassen.

   a) Das Prinzip der Hilfe: Jeder, der ein Leid verhindern kann, ohne dabei selbst ein vergleichbares Leid zu erfahren, muss es verhindern.

   b) Das Prinzip der Notwehr: Jeder darf unnötiges Leid von sich abwenden, wenn nötig sogar mit einem anderen Leid.

   Die ersten beiden Prinzipien, das der Rechtfertigung und das der Gleichheit, lassen sich nicht weiter begründen. Vielmehr erhalten sie ihre Überzeugungskraft aus ihrer Anwendung heraus. Die Geltung dieser Prinzipien zu leugnen dürfte mit großen Schwierigkeiten zusammenhängen, denn faktisch handeln wir alle bereits nach ihnen. Und die Tatsache, dass wir sie nicht immer korrekt anwenden, macht sie selber nicht falsch – so macht auch das Ergebnis einer falschen Rechnung nicht die Mathematik falsch.

   Das dritte Prinzip, das des unnötigen Leides, lässt sich von den ersten beiden Prinzipien ableiten und umfasst seinerseits das Prinzip der Hilfe und das der Notwehr. Wer also das Rechtfertigungsprinzip und das Gleichheitsprinzip akzeptiert, muss auch das Leides- sowie das Hilfe- und Notwehrprinzip notwendig anerkennen. Ich habe sie hier erwähnt, da sie nicht offensichtlich aus den ersten beiden Prinzipien folgen, wir aber faktisch im Alltag immer wieder nach ihnen handeln und sie für unsere moralischen Urteile eine wesentliche Rolle spielen.


[1] Vgl. Gosepath, Stefan, Gleiche Gerechtigkeit – Grundlagen eines liberalen Egalitarismus, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004, S. 33.

[2] Vgl. Gosepath, Gerechtigkeit, S. 33.

[3] Vgl. Gosepath, Gerechtigkeit, S. 33.

[4] Vgl. Gosepath, Gerechtigkeit, S. 33.

[5] Vgl. Gosepath, Gerechtigkeit, S. 54-55.

[6] Vgl. Gosepath, Gerechtigkeit, S. 55.

[7] Vgl. Gosepath, Gerechtigkeit, S. 55-56.

[8] Vgl. Gosepath, Gerechtigkeit, S. 56.

[9] Gosepath, Gerechtigkeit, S. 148.

[10] Vgl. Singer, Marcus George, Verallgemeinerung in der Ethik – Zur Logik moralischen Argumentierens, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1975, S. 48.

[11] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 43.

[12] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 43.

[13] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 43.

[14] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 43-44.

[15] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 35.

[16] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 36.

[17] Alexander, Samuel, Space, Time and Deity, The Gifford Lectures at Glasgow 1916-1918, Vol. 2 (1927), (Collected Works of Samuel Alexander, Vol. 3), London: Thoemmes Press 2000, S. 275. „Die gute Handlung kann je nach der Natur des Individuums und dem Platz, den es in der Gesellschaft innehat, verschieden sein. Jedoch, soweit sie erlaubt ist, wird sie für jeden mit diesen Anlagen oder mit diesem Temperament und in dieser Situation gutgeheißen, und die Billigung der Allgemeinheit ist nicht etwa eine Gunst gegenüber dem Individuum, sondern gilt jedem unter den gleichen Bedingungen.“  Übersetzt nach Singer, M., Ethik, S. 36.

[18] Vgl. Henry Sidgwick, The Methods of Ethics, Vol. 7, London: Maximillan & Co Ltd. 1962, S. 384-385.

[19] Sidgwick, Ethics, S. 380. „der als vernünftiger Grund für eine unterschiedliche Behandlung gelten kann“, übersetzt nach der 7. Auflage von Constantin Bauer, Henry Sidgwick, Die Methoden der Ethik, Leipzig: Werner Klinkhardt 1909, S. 171.

[20] Vgl, Singer, M., Ethik, S. 41.

[21] Ein positionsunabhängiger Grund ist ein Grund, der das Handeln nicht nur für einen, sondern für jeden rechtfertigt, der in relevanter Weise gleiche Eigenschaften hat und sich in einer in relevanter Weise gleichen Situation befindet. Also sind positionsunabhängige Gründe allgemeine Gründe im Sinne des Prinzips der Gleichheit.

[22] Gosepath, Gerechtigkeit, S. 149-150.

[23] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 49.

[24] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 49.

[25] Vgl. Singer, M., Ethik, S. 49.

[26] Gosepath, Gerechtigkeit, S. 150.

[27] Gosepaht, Gerechtigkeit, S. 150.

[28] Vgl. Singer, Peter, Praktische Ethik, Stuttgart: Reclam 1993, S. 37-38.

[29] Singer, P., Ethik, S. 39.

[30] Singer, P., Ethik, S. 39.

[31] Singer, P., Ethik, S. 39.

[32] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 39.

[33] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 41.

[34] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 41.

[35] Singer, P., Ethik, S. 42.

[36] Vgl. Tugendhat, Ernst, Vorlesungen über Ethik, 1. Auflage, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1993, S. 171-172.

[37] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 42.

[38] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 21.

[39] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 21.

[40] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 21.

[41] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 21.

[42] Singer, P., Ethik, S. 292.

[43] Singer, P., Ethik, S. 292.

[44] Vgl. Singer, P., Ethik, S. 292 ff.

[45] Wir wollen zur besseren Veranschaulichung nicht mehr von einem flachen Zierteich, sondern von einem tiefen See sprechen.